Gib dem Fairplay eine Chance

WM 2018, Nanjing. Die Finali

Das Damendoppel

die beiden japanischen Paarungen kennen sich in und auswendig und so verblüffen die bis zu 59, meist über 40 Schläge pro Ballwechsel nicht. Es war klar, dass die Paarung die Nase vorne haben wird, die bei etwas mehr Risiko zusätzlich weniger Eigenfehler produziert. Alle 4 Mädchen spielten mit Leidenschaft und großem Respekt voreinander.

Da komme ich kurz auf das Semifinale von Carolina Marin zurück, der ich als Europäer natürlich die Daumen drücke. Sie lässt mit ihrer Körpersprache keine Zweifel aufkommen, dass sie wieder was Großes vor hat, dennoch gefällt mir ihr Benehmen auf dem Spielfeld dann gar nicht, wenn sie Eigenfehler des Gegenübers bejubelt. Da gäbe es bessere psychologische Möglichkeiten, die auf eine größere Persönlichkeit schließen ließe. Schlimm dabei ist, dass viele Jugendliche genau das wieder nachahmen werden, was leicht geht … naja, sind wir einfach froh, dass wir eine Europäerin im Finale haben …

Die 4 Mädchen aus Japan spielen - fast naturgemäß möchte man meinen - 3 Sätze. Selbst für mich aus der Entfernung ist es sehr emotional, als die im dritten Satz immer hinten liegenden bei 16:19 das Spiel drehen und mit 22:20, letztendlich insgesamt mit 2 Punkten mehr, Weltmeister werden. Ich hätte in diesem Falle wohl 4 Goldmedaillen ausgegeben.

Wer die Zeit hat, sollte sich dieses Spiel anschauen. Spielerisch und last but not least charakterlich ein Highlight. Demut im richtigen Augenblick ist die Stärke großer Menschen …

 

Das Mixed

Hier gibt es ein chinesisches Finale und schon zu Beginn hatte man den Eindruck, dass es hier eine Überlegenheit der zu Favorisierenden gibt. Aber das Spiel ist zumindest im 2. Satz sehr offen, immer spektakulär und was ich wieder betonen möchte, von gegenseitiger Achtung geprägt. Es zeugt von wirklicher Größe, wenn man das Spiel gerade in 2 Sätzen verliert, lächelt und dem Sieger aufrichtig wirkend, gratuliert. Diese Beobachtungen über das Spiel hinaus gehören für mich dazu, hier mache ich mir mein endgültiges Bild.

 

Das Dameneinzel

Hier schlagen nun 2 Herzen in meiner Brust. Einmal als Europäer und andererseits als leidenschaftlicher Fan von Fairness und respektvollem Umgang. Was die Körpersprache von Carolina Marin anlangt, so ist sie diesbezüglich perfekt. Sie hat zusätzlich auf alle Bälle eine meist sensationelle Antwort mit unglaublichen Täuschungen in der Hand. Sie antizipiert wie keine andere. Das erkenne ich an. Wenig kann ich damit anfangen, dass sie sich störend und einer Weltmeisterin unwürdig, derart zum Sieg schreit.

Ich war geradezu froh, dass sich die Konkurrentin ebenfalls im Schreien versuchte, was aber weit sympathischer verhallte …

Nach einer Diskussion mit dem Schiri hat Marin dann die Zuschauer in der Halle eher auf die Seite der Gegnerin gebracht, was ihr anscheinend sogar gefällt. Kleine Schwächen sportlich, zeigt die Spanierin im Überkopf-Bereich an der Grundlinie, das weiß sie und deckt hier besonders ab. Trotzdem macht sie hier ein paar unerzwungene Fehler.

Ich vermute, dass Marins Gegnerin ebenso genervt ist wie ich, was natürlich nicht sein sollte. Schließlich krönt sich die Europäerin in 2 Sätzen und vielleicht zu schnellen Aufschlägen ... relativ unspektakulär zum dritten Mal zur Weltmeisterin. Ein wirklicher Champion ist sie in meinen Augen noch nicht …

 

Das Herreneinzel

Mein Tipp Kento Momota aus Japan steht also tatsächlich im Finale. Sein Gegenüber ist Shi Yu Qi aus China. Die ersten Ballwechsel lassen gleich einmal ein absolut spannendes Duell auf Augenhöhe vermuten und  - einmal noch weil wohltuend - ohne Schreierei, mit großem Respekt.

Es ist ein Spiel mit Täuschungen, Reaktionen und Reflexen die man nicht alle Tage sieht. Ein Finale auf hohem Niveau in allen Belangen, dann doch mit Vorteilen für Momota im 1. Satz. Er wirkt elastischer oder beweglicher, wartet geschickt ab und kontert aus der Defensive. Nimmt er dann einmal über der Netzkante die Bälle, ist es meist schon der Punkt. Es schaut letztendlich im 1. Satz bereits nach einem 2-Satz-Sieg für den Japaner aus. 21:11 …

An dieser Stelle zolle ich auch den Fans in der Halle großen Respekt. Natürlich werden die Herzen mehr für Shi Yu Qi geschlagen haben, aber sie waren fair. Daraus könnte man auch noch lernen … das müsste eigentlich relativ leicht umsetzbar sein. Bei Bundesliga-Spielen in Österreich z.B. …

Der 2. Satz verläuft ähnlich dem ersten. Momota liegt selbstsicher auf der Lauer und kontert weltmeisterlich. Siegt Konto Momota, ist er der fünfte Spieler, der als Jugendweltmeister auch Weltmeister der allgemeinen Klasse wird. Er wird. Mit 21:13 im 2. Satz.

Da lässt sich leicht ein 2 maliges Anzählen durch den österreichischen Aufschlagrichter Klaus Schlieben - was K.M. jeweils mit einem Lächeln quittierte - verschmerzen und ich vermute, dass sein größter Coup erst für 2020 - ein Olympiasieg in seiner Heimat - geplant ist. Eine freundschaftliche Umarmung der Finalisten am Ende des Spieles lassen mein Herz höher schlagen. Das sind Champions … ;-) … Beide.

 

Das Herrendoppel

Eine Begegnung zwischen China und Japan. Alle 4 mit kontrollierten (also genauen und genau gewollten) Offensiv-und Defensivschlägen, nichts wird dem Zufall überlassen. Oft werden die Bälle tief an die Grundlinie getrieben, um den Gegnern nur ja keine Meter zu schenken. Weite Wege führen nun einmal leichter zu Fehlern und nur auf eigene Reflexe zu vertrauen ist, gelinde gesagt, zu wenig.

Eines weiß ich schon bei 15:12 für China: Ich würde wieder 2x Gold vergeben. Dann aber holt sich China den 1. Satz 21:12 und ich staune über so viele Ideen und Möglichkeiten aus den schwierigsten Positionen …

Im zweiten Satz erhöhen die Japaner den Druck und nehmen um eine Spur mehr Risiko. Da gibt es bei 19:16 für Japan eine Spielszene die wird sich im Internet oft wiederfinden. Akrobatik, Siegeswille und und … führen zu einem unglaublichen Ballwechsel.

Schade, ich hätte gerne einen 3. Satz gesehen. China dreht den Satz noch und gewinnt auch den 2. Satz Jetzt mit 21:19.

Es bleibt, den Siegern, allen Teilnehmern zu gratulieren und, obwohl leidenschaftlicher Tennisfan, verstehe ich nicht, dass Badminton in Europa nicht zumindest den selben Stellenwert wie Tennis hat. Vielleicht liegt es am nicht vorhandenen Marketing, vielleicht an zu wenig Zusammenhalt, vielleicht daran, dass Postings - egal wo und wie - mit derart wenigen Likes „kommentiert“ werden … :-/  … also sind wir doch selber Schuld ...